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Serie: Lebensfragen - Lebenshilfe

03.06.2016

Die psychische Widerstandskraft

So viele Sommer mit dir verbracht, / Mit dir geliebt und geweint und gelacht. / Lass uns den Sommertag heut’ glücklich leben – / Wie viele Sommer mag es noch geben? / Die Tränen, der Kummer, die Niederlagen, / Schlaflose Nächte, Fragen und Klagen, / Die Zweifel, die Ängste, die Sorgen und Mühn, / Blütenträume, die nicht erblühn, / Gemeinsam durchstanden, gemeinsam getragen, / Die Tränen, der Kummer, die Niederlagen“.

Als der Liedermacher Reinhard Mey, dessen Sohn Maximilian vor zwei Jahren im Alter von 32 Jahren starb, kürzlich sein Lied „So viele Sommer“ in der Sendung „3 nach 9“ vorstellte, standen nach den Worten des Moderators Giovanni di Lorenzo nahezu allen Personen im Fernsehstudio Tränen in den Augen. Die Fähigkeit, sich – wie Hella und Reinhard Mey – in einer Partnerschaft bei Belastungen, Krisen und Schicksalsschlägen gegenseitig zu unter-stützen, einander praktische Hilfe zu geben, weist auf eine hohe psychische Widerstandskraft hin. Sie wird im Fachjargon Resilienz genannt. Da die Resilienz von Partnerschaften bisher leider noch wenig erforscht ist, will ich im Folgenden einige Erkenntnisse aus der individuellen Resilienzforschung vorstellen:

Der Begriff Resilienz leitet sich vom lateinischen Wort resilere ab, das mit „zurückspringen, abprallen“ übersetzt werden kann. In der Werkstoffphysik wird unter Resilienz die Fähigkeit eines elastischen Materials verstanden, nach extremer Belastung in die Ausgangslage zurückschnellen zu können. In der Psychologie bedeutet Resilienz die Fähigkeit, angesichts belastender Lebensherausforderungen bestehen und wachsen zu können. „Resilienzforscher“, so die Psychologin Ursula Nuber, „halten eine gute psychische Widerstandsfähigkeit bestimmter Personen nicht für eine Glücksache oder etwas Außergewöhnliches. Manche Menschen sind ihrer Ansicht nach nur insofern begünstigt, als sie ihre vorhandenen Kapazitäten aus eigener Kraft nutzen und ausschöpfen können. Andere benötigen dabei Unterstützung“. Für die bekannteste Resilienzforscherin, Emmy Werner, ist Resilienz „das Endprodukt eines Prozesses, der Risiken und Stress nicht eliminiert, der es aber den Menschen ermöglicht, damit effektiv umzugehen.“

 

Resilienz lernen

Wer in seiner Kindheit und Jugend keine oder nur wenig resilienzfördernde Erfahrungen machen konnte, muss sich seinem Schicksal nicht hilflos ausgeliefert fühlen. Resilienz kann in jedem Lebensalter erlernt werden.

In einer Broschüre stellt die Amerikanische Psychologenvereinigung folgende sieben Wege zur Stärkung der psychischen Widerstandskraft, der Resilienz, vor: 1. Soziale Kontakte aufbauen; gute Beziehungen in der Familie, zu Freunden etc. sind äußerst wichtig. Sie stärken das Selbstwertgefühl und sorgen für Unterstützung in Notzeiten. 2. Krisen nicht als unüberwindliche Probleme betrachten; die Überzeugung, die eigenen Lebensumstände positiv beeinflussen zu können und kein Spielball des Schicksals zu sein, ist eines der wichtigsten Merkmale der Resilienz. 3. Realistische Ziele entwickeln; wichtig ist, Tag für Tag kleine realistischen Ziele anzustreben. 4. Die Opferrolle verlassen, aktiv werden; resiliente Personen ergreifen in schwierigen Situationen die Initiative. Sie lassen sich nicht von der Belastung lähmen. 5. An die eigene Kompetenz glauben; viele Personen, die Schwierigkeiten überwanden, zogen daraus neue Kraft. 6. Eine Langzeitperspektive einnehmen;  auch wenn die gegenwärtige Belastung äußerst schwierig erscheint, sollte versucht werden, sie im gesamten Lebenskontext zu sehen. 7. Für sich selbst sorgen; so wichtig es ist, in einer Krise aktiv zu bleiben, so wichtig ist auch der Rückzug, um Emotionen (Trauer etc.) zuzulassen, in Ruhe nachzudenken und neue Energie zu tanken.

Lassen Sie mich zum Abschluss meiner Ausführungen noch die beiden Schlusszeilen vom eingangs erwähnten Lied zitieren: „Bewahr‘ das Licht aus diesem Sommertag, / Für den Winter, der getrost kommen mag“. Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen in den kommenden Sommertagen viel Glück beim Sammeln von Licht, Wärme und guter Laune.

Dr. Gerhard Nechwatal, Kirchenzeitung vom 5. Juni 2016

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