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13.09.2022

Kommunizieren, ringen, positionieren: Bischof Hanke zum Synodalen Weg

Bischof Gregor Maria Hanke spricht bei der vierten Synodalversammlung

Bischof Gregor Maria Hanke spricht bei der vierten Synodalversammlung des Synodalen Weges in Frankurt. Foto: Maximilian von Lachner

In einem Interview mit der Eichstätter Kirchenzeitung spricht Bischof Gregor Maria Hanke über die vierte Vollversammlung des Synodalen Weges und seine Beweggründe, warum er den Grundlagentext zur Sexualmoral abgelehnt hat. Für ihn stelle sich die Frage, „warum sich mit dem Synodalen Weg die Kirche erneut darum bemüht, sich in die menschliche Sexualität einzumischen“.

KiZ: Herr Bischof, der Präsident des Synodalen Wegs, Bischof Georg Bätzing, hat in der Abschlusspressekonferenz der 4. Vollversammlung des Synodalen Wegs gesagt, die Synodalen hätten bei der dreitägigen Veranstaltung in Frankfurt Entscheidungen getroffen, die die Kirche in Deutschland verändern werden. Worin sehen Sie die Bedeutung dieses Treffens und welche Veränderung erwarten Sie?

Bischof Gregor Maria Hanke: Grundsätzlich war es Konsens in der Synodenaula, dass die erarbeiteten Beiträge auch als Beiträge zum synodalen Prozess der Weltkirche zu werten sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Georg Bätzing davon ausgeht, dass der Synodale Weg per se in Deutschland eine Entwicklung in Gang bringt, sondern ich denke, der Weg wird hier schon über den Synodalen Prozess in Rom laufen und auch laufen müssen.

Ich würde sagen, hier sind Anliegen und Themen ausgesprochen worden, die vielleicht allzu lange nicht ausgesprochen wurden oder ausgesprochen werden konnten. Und das ist in sich schon einmal ein wichtiger Schritt auch für die Psychohygiene im kirchlichen Miteinander. Allerdings macht mich natürlich das Gesamtpaket auch sehr besorgt, weil ich nicht weiß, wie wir das weltkirchlich zusammenbringen können und wie wir das auch im Blick auf die Herkunft – ich möchte nicht so gerne das Wort Tradition verwenden, das ist mir zu statisch – einordnen können, damit Zukunft entsteht. Also, ich habe durchaus eine gewisse Besorgnis in mir, das muss ich ganz ehrlich gestehen. 

Das Votum einiger Bischöfe war ausschlaggebend für das Verfehlen der bischöflichen Zweidrittelmehrheit, die das Grundsatzpapier „Leben in gelingenden Beziehungen – Wegmarken einer neuen Sexualethik“ gebraucht hätte, um verabschiedet zu werden. Sie haben sich enthalten, aus welchem Grund?

Bischof Hanke: Wir waren anfangs alle auf der Suche nach Antworten auf Fragen, die durchaus schon längst im Raum stehen. Ich war ja gerade auch mit einigen in diesem Forum sehr intensiv in Kontakt, etwa mit Bischof Oster. Wir haben gerungen um diese Weiterentwicklung der Antworten auf diese modernen, zeitgemäßen Fragen des Menschseins heute. Und da hat sich schon in der Forums-Arbeit gezeigt, dass eigentlich ein Konsens nicht gefunden werden konnte. Die ethische Verkündigung der Kirche, die weltkirchlich nach wie vor Bestand hat, war für die Forumsmehrheit und dann auch
für die Synodalmehrheit nicht mehr ausreichend, um von hier aus den Weg zu nehmen. Im Synodalforum, dann auch in der Versammlung, wurde mehrfach vom Neuanfang, von Bruch und Abschied gesprochen. Genau das war auch mein Problem, dass ich hierin keine Entwicklung sehe, sondern einen Bruch. Und den Bruch habe ich vor allem gesehen im Menschenbild, eben in dem, was wir christliches Menschenbild nennen. Da ist irgendwo auch ein gewisser Abschied erfolgt, etwa in den Passagen zur Geschlechter-Binarität. 

Sie haben nicht aus einer Verweigerungshaltung abgestimmt, sondern aus einer Haltung der Verantwortung.

Bischof Hanke: Das würde ich durchaus so sehen. Wir wollten und wollen uns nach wie vor um Antworten auf Fragen des Menschseins bemühen, die uns heute gestellt werden. Ich habe ja zum Beispiel in meinem Plädoyer zum Handlungspapier über Homosexualität von einer nötigen pastoralen Umkehr gesprochen. Mir wurde aber gesagt, das reiche nicht, wir bräuchten eine lehrmäßige Umkehr.

War Ihnen klar, welche Erschütterung das Durchfallen des Grundsatzpapiers für die Veranstaltung auslösen und welche Kränkung es für betroffene Personen, auch unter den anwesenden Synodalen, bedeuten würde?

Bischof Hanke: Die Minderheit ist davon ausgegangen, dass Fragen des Menschseins im Raum stehen, die eine Antwort finden müssen. Unser Ausgangspunkt war die ethische Verkündigung im weltkirchlichen Rahmen. Wir wollten von dort aus diesen Weg gehen und keineswegs diskriminieren. Allerdings hat sich dann die Diskussion um das Papier und um die Positionierung doch so zugespitzt, dass uns entgegengehalten wurde, wenn ihr dem Papier nicht zustimmen könnt, dann diskriminiert ihr eigentlich de facto. Das mag der subjektiven Empfindung entsprechen. Ich halte es allerdings für einen schwierigen Zuruf im Blick auf unsere Kontextualität mit der Weltkirche. Ich glaube, da bedarf es noch einiges an Klärung. 

Wurden Sie persönlich mit der Ratlosigkeit, der Wut und der Trauer einiger Synodalen konfrontiert?

Bischof Hanke: Zu dieser Frage nicht. Ich hätte es mir eigentlich erwartet, aber offensichtlich waren auch die Betreffenden in Anbetracht der Situation zu dem Zeitpunkt dazu nicht in der Lage. Aber ich wäre da sehr offen gewesen. Auch Bischof Stefan Oster hat kommuniziert, dass er gerne zu einem Gespräch bereit wäre. Und ich bin sicher, auch andere von unserer Minorität. Vielleicht sollten wir auch proaktiver sein und den Kontakt suchen. Einer Reihe von Anliegen des Textes könnte ich für sich genommen zustimmen, wir konnten aber nur über den Text im Ganzen abstimmen. So müssen wir beispielsweise Frauen in der Kirche mehr Verantwortung zuschreiben. In Eichstätt tut sich hier bereits sehr viel. Auch andere Textabschnitte halte ich für gut und zukunftsweisend. Eine Zustimmung zum ganzen Text hätte auch die Zustimmung zur Abkehr von der biblischen Lehre der Zweigeschlechtlichkeit bedeutet und die Weihezulassung von Frauen. Die biblische Lehre und die Einheit mit der Weltkirche kann ich nicht aufgeben, mich aber sehr wohl gerne in den kritischen Diskurs einbringen. Hierfür war aber bisher zu wenig Zeit. Viel grundsätzlicher stellt sich mir die Frage, warum sich mit dem Synodalen Weg die Kirche erneut darum bemüht, sich in die menschliche Sexualität einzumischen. Hat die Kirche damit bisher gute Erfahrungen gemacht? Wäre es nicht viel wichtiger, wenn wir die Bedeutung der Person Christi und seines Heils für unser Leben in den Mittelpunkt stellen und von diesem archimedischen Punkt die Fragen und Themen angingen! In der Frage sehe ich die eigentliche Krise unseres Christseins heute verortet.

Ihr Amtsbruder, der Bischof von Aachen, Helmut Dieser, stellte sich, erkennbar geschockt vom Abstimmungsergebnis am Donnerstag, vor dem Plenum öffentlich die Frage „Wie soll ich als Bischof jetzt über Sexualität reden?“ Verstehen Sie seine Unsicherheit und was können Sie ihm antworten?

Bischof Hanke: Ich möchte meinen Mitbrüdern nicht über ein Medium einen Rat geben. Ich persönlich würde für mich selbst jetzt den Weg suchen, den Menschen eine lebendige
Beziehung zu Christus zu ermöglichen. Das ist, glaube ich, als Kirche unsere erste Aufgabe, damit die Menschen aus diesem Glauben heraus, aus dieser Beziehung zu Christus heraus, ihr Leben und das Miteinander gestalten können. Das wäre meine Aufgabe.

Der regelkonforme Vorgang der zweifellos gültigen Abstimmung und sein offenbar für viele undenkbares Ergebnis sowie die teils hochemotionalen Reaktionen brachten den Prozess „Synodaler Weg“ schlagartig in bedrohliche Schieflage. Für einige stand seine Fortsetzung in Frage, andere sahen ihn sogar „an die Wand gefahren“. In welchem Zustand geht der Prozess Ihrer Einschätzung nach aus der „Achterbahnfahrt“ dieser Vollversammlung hervor? Ist er in Gefahr zu scheitern?

Bischof Hanke: Es ist sicherlich eine schwierige Lage, das will ich gar nicht verhehlen. Und man soll das auch jetzt nicht irgendwie schönreden. Andererseits hat dieser Knall auch eine gewisse Klarheit gebracht. Ich glaube, der Prozess hat auch offengelegt, dass bei uns Synodalität noch ein sehr vager Begriff ist. Wir wissen eigentlich nicht, was wir damit verbinden. Da gibt es verschiedene Indizien, um diese Unsicherheit beziehungsweise diese Begriffsleere zu belegen. Wir tun uns sehr schwer, aufeinander zu hören, andere Meinungen zu respektieren. Das Hören ist ja ein ganz wichtiger Aspekt der Synodalität. Und wir tun uns schwer oder haben uns vielleicht bisher schwergetan, uns auch öffentlich klar zu positionieren. Das betrifft vielleicht mehr die Bischöfe. Ich denke, wenn wir das Hirtenamt ausüben und ausüben wollen, dann gehört auch das dazu. Insofern bin ich persönlich jetzt in keiner Weise verletzt, dass meine Position bekannt geworden ist, ich habe sie ja auch selbst bekannt gemacht, weil ich dazu stehe. Das, was wir im Moment haben, ist aber noch nicht wirklich Synodalität. Ich hatte am Sonntag ein Gespräch mit einem ehemaligen Politiker, der sagte mir „Das ist ja wie bei einem Parteitag“. Und das ist eben noch nicht Synodalität. Was mir auch fehlt, das ist immer wieder der weltkirchliche Bezug. Wir sind Teil der Weltkirche und das sollten wir auf diesem Weg bedenken. Wir sind sicher nicht in erster Linie Lehrer und Missionare der Weltkirche.  

Bischof Bätzing hat in seiner Rolle als Vorsitzender der Bischofskonferenz zwei Mal um Unterbrechung der Sitzung gebeten, um mit seinen Mitbrüdern in einem separaten Raum zu beraten. Der stellvertretende Präsident des Synodalen Wegs, Bischof Franz-Josef Bode, hat diese Gespräche als richtig und wichtig bezeichnet. Die Bischofskonferenz ist aber keine Fraktion, jeder Bischof entscheidet als Synodale ja als Einzelperson, welchen Zweck verfolgten dann diese beiden Zusammenkünfte?

Bischof Hanke: Ich fand das sehr wichtig für die Selbstvergewisserung der Bischöfe. Das war kein Verfahrenstrick, sondern da wurde nachgeholt, was wir leider in der Bischofskonferenz in den zurückliegenden Monaten und Jahren versäumt haben. Unsere eigene Selbstvergewisserung: Wo stehen wir? Wo stehe ich persönlich? Wo stehen wir als Konferenz? Wie ist das Meinungsbild bei uns? Ich glaube, das war in der Vergangenheit viel zu sehr tabuisiert. Insofern war das wichtig, dass unser Vorsitzender um diese Unterbrechung gebeten hat. Ich persönlich habe dahintergestanden, dass wir das im Sinne der Klarheit tun. 

Mehrere Synodale sahen in den Vorgängen dieser drei bewegten Tage einen Beleg für die „Krise der episkopal verfassten Kirche“ oder eine „Krise des Bischofsamtes“. Teilen Sie diese Auffassung?

Bischof Hanke: Diese Auffassung würde ich so nicht teilen. Ich glaube aber, dass wir in der Wahrnehmung unserer Aufgaben und Pflichten vielleicht noch ausbaufähig sind. Das heißt, wir müssen uns mehr verständigen untereinander, mehr ringen und uns auch positionieren. Aber hier eine Krise des Bischofsamtes zu sehen, das kann ich jetzt so nicht nachvollziehen. Genauso wenig kann ich ja jetzt nicht sagen, weil bestimmte Verfahrensabläufe im Synodalen Weg hochemotional sind, dass der Katholizismus eine Krise der Synodalität hätte. Wir sind am Lernen und ich denke, da müssen auch die Bischöfe sich jetzt noch stärker verbinden, kommunizieren, ringen. Das haben wir bei der letzten Vollversammlung in Vierzehnheiligen erstmals gemacht und das war auch gut. Vielleicht muss das auch noch präzisiert werden.  

Die Vollversammlung hat die Einrichtung eines sogenannten Synodalen Ausschusses beschlossen,der die Gründung eines Synodalen Rats vorbereiten soll. Er soll die Verstetigung des synodalen Denkens und Handelns in der deutschen Kirche gewährleisten. Welche Erwartungen verbinden Sie mit diesem Beratungs- und Leitungsorgan?  

Bischof Hanke: Ich persönlich bin für mehr Partizipation in der Kirche, selbstverständlich. Ich glaube, dass das gut ist. Aber da stehen nun Fragen im Raum: „Wie ist das Verhältnis von Bischofsamt oder Bischofskonferenz gemäß dem Zweiten Vaticanum zu den anderen Mitgliedern in diesem Gremium?“ „Soll es in dem Gremium einfach um einen trivialen Uniformismus gehen im Sinne eines Parlaments oder aber um Subsidiarität?“ – um einen Begriff aufzugreifen, den das Konzil schon gebraucht hat im Miteinander von Bischof, Priester und Laien. Da sind sehr viele Fragen zu klären, bis hin zu der Frage „Was ist Synodalität?“ Das wissen wir nicht, das wissen wir nur ansatzweise. Ich habe bei meinem Wortbeitrag zu diesem Thema auf einen Text der Internationalen Theologenkommission
hingewiesen. Ich glaube, den sollte man mal als Grundlage studieren. Wir haben hier noch einen erheblichen Weg vor uns und nach den Erfahrungen jetzt mit all diesen Befindlichkeiten, Emotionen und auch Verletzungen, weiß ich nicht, ob dieser Weg gelingen wird, bin aber gespannt, was die Arbeitsgruppe erarbeiten wird.

Sie haben sich in Ihren Redebeiträgen in Frankfurt neben den je konkreten Sachthemen, auch zu Verfahrensfragen der Beratungsprozesse, allgemein zur Sitzungskultur und zum Umgang miteinander geäußert. Was kritisieren Sie?

Bischof Hanke: Ich war immer ein Kritiker des so angelegten Synodalen Wegs. Uns haben die anfängliche Vergewisserung durch Grundsatzdebatten und auch Grundsatzkontroversen gefehlt, die uns gezeigt hätten, wie wir im Großen und Ganzen ticken, aufgestellt sind, welche Anliegen die Synodalen haben. Wir hätten uns viel anders wahrnehmen können. Man hat das natürlich teilweise gehabt, aber es war weg delegiert von der großen Versammlung. Deswegen darf man sich auch nicht wundern, wenn dann im Ganzen plötzlich die Probleme auftreten, weil wir eben kein Parlament sind, das mit Ausschüssen arbeitet. Synodalität, denke ich, sollte einen anderen Ansatz haben. Ich denke hier auch an Jürgen Habermas, der gesagt hat, es muss zunächst einmal vor Entscheidungen einen Raum geben, in dem die Gründe für Entscheidungen in aller Offenheit genannt und diskutiert werden, wo darum gerungen wird. Das fehlt uns nach meinem Dafürhalten. Wir haben es arbeitsteilig gelöst beim Synodalen Weg. Und jetzt sind natürlich die Spannungen und Schwierigkeiten auszuhalten.

Interview: Michael Heberling

Das Interview zum Download

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